Wer einen Schritt zurück macht nimmt nur neu Anlauf
Die
heutige Berufswelt ist stark darauf ausgelegt, dass es mit der Karriere immer
weiter nach oben geht. Dabei wird der ein oder andere die Erfahrung machen,
dass die berufliche Entwicklung irgendwann stagniert oder sogar die Gefahr
besteht, dass die Karriereleiter inzwischen nach unten zeigt. Recht neu ist der
Gedanke, dass Menschen inzwischen vermehrt freiwillig diesen Schritt suchen.
Was dabei zu beachten ist erläutert Karriereberater Christoph Schließke
Im November letzten Jahres trat der Oldenburger Bischof Jan
Jansen von seinem Amt zurück. Der Grund war aber weder in seiner Amtsführung
noch in seinem Dienst zu suchen. Vielmehr wollte Jansen wieder als einfacher
Pfarrer und Seelsorger tätig sein um den Menschen zu dienen und nicht um die
Kirche zu verwalten. Er übernimmt ab Herbst die Leitung der Deutschen
Seemannsmission in Rotterdam.
Was im ersten Moment wie ein Rückschritt aussieht, kann
sich im Nachgang sehr wohl als Gewinn entpuppen. Größere Zufriedenheit und
Erfüllung bei der neuen Aufgabe, geringere Verantwortung und damit auch ein
Abbau von Druck. Mehr Zeit für die Familie oder ehrenamtliche Aufgaben sind
weitere Punkte, die man nennen kann und somit insgesamt wieder eine höhere
Freude am Beruf.
Vielen fällt ein solcher Schritt schwer. Freiwillig einen
Schritt zurück zugehen ist nicht nur mit dem Verlust von Ansehen und in den
meisten Fällen auch mit einem Rückgang des Einkommens verbunden, sondern auch mit
unangenehmen Fragen aus dem Bekanntenkreis. Die erste Reaktion ist häufig: Was
hast Du angestellt? Beruflicher Rückschritt wird zu häufig mit Versagen
gleichgesetzt. Das o. g. Beispiel und ein interessantes Arbeitsportal in
England zeigen, dass es auch anders geht.
„Escape the city“ nennen zwei junge Gründer ihre Plattform,
die in erster Linie Menschen anspricht, die im Finanzdistrict London arbeiten.
Aber auch andere Bewerber können sich auf dieser Plattform über spannende und
alternative Jobs informieren, Jobangebote die teilweise sehr exotisch sind, in
fernen Ländern liegen und die mit dem bisherigen Hamsterrad sehr wenig gemein
haben. Allerdings liegen häufig auch die Gehälter bei den neuen Arbeitsstellen
nur bei einem Bruchteil dessen, was zuvor verdient wurde. Im Jahr 2014 wies
dieses Portal 170.000 interessierte User auf die sich verändern wollten.
Natürlich gibt es auch hier Menschen, die hinterher in ähnliche Jobs
zurückgekehrt sind, da vielleicht die Veränderung doch zu extrem war. Es zeigt
sich allerdings, der Markt für Veränderungswünsche ist groß.
Nun muss es ja immer gleich die 180-Grad Wende sein, die
jemand vollzieht. Gedanken über eine Veränderung hat sich fast jeder schon
einmal gemacht und etliche sind zu der Erkenntnis gekommen, dass das Ungewisse
oder der Gehaltsverzicht schwerer wiegt als Möglichkeit an seinem Arbeitsplatz
wirklich Zufriedenheit und Erfüllung zu finden.
Welche Fragen soll sich also jemand stellen, der über einen
solchen Schritt nachdenkt und welche Punkte sollte er klären?
Machen Sie sich als erstes bewusst, dass man Arbeitsleben
und Freizeit nicht voneinander trennen kann. Zwar liegen diese beiden Bereiche
räumlich auseinander, nicht aber mental und geistig. Unzufriedenheit am
Arbeitsplatz wirkt sich auch auf das Privatleben aus, ebenso natürlich auch,
wenn ich beruflich Erfüllung finde. Dauerhaft werden Sie am Arbeitsplatz nur
zufrieden und ausgefüllt sein, wenn Sie Ihre Werte und Visionen auch leben
können. Wenn Sie keine richtigen Vorstellungen von Ihren Werten haben,
erarbeiten Sie diese. Suchen Sie sich eventuell eine Person Ihres Vertrauens,
mit dem Sie dies gemeinsam tun.
Stellen Sie als nächstes fest inwieweit diese Werte im
Berufsleben bei Ihnen vorkommen. Oder können Sie diese nur in Ihrer Freizeit
leben? Auf Dauer wird niemand auf einer Stelle glücklich an der er seine Werte
nicht leben kann. Da ist es egal welches Gehalt dafür gezahlt wird.
Suchen Sie das Gespräch mit Menschen, die Sie gut kennen,
die Ihre mögliche Entscheidung mittragen und Sie unterstützen, aber auch kritische
Hinweise geben. Dann kommt der Schritt des Wechsels in Ihrem Umfeld nicht so
überraschend.
Da ein Rückschritt auch mit finanziellen Einbußen verbunden
sein kann, steht am Ende die große Frage ob Sie sich das leisten können und
wollen. Weniger Gehalt bedeutet in der Konsequenz auch weniger für die
Alterssicherung zur Verfügung zu haben. Prüfen Sie Ihre finanzielle Lage
sorgfältig und ziehen Sie fachlichen, neutralen Rat hinzu.
Machen Sie sich ausreichend Gedanken, was Sie auf der
anderen Seite alles gewinnen. Auf der Habenseite können Sie wohlmöglich eine
höhere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit ebenso verbuchen wie die Möglichkeit
Ihre Werte und Vorstellungen zu leben. Mehr Zeit für die Familie ist bei einer
Stelle, die weniger Verantwortung mit sich bringt, sicher ebenfalls drin.
Ob Sie sich überhaupt Gedanken darüber machen möchten, wie
Sie Ihre Karriere insbesondere auf den letzten Etappen etwas entschleunigen
möchten, liegt natürlich bei jedem selbst. Ich möchte die Situation mit einem
Bergsteiger vergleichen, der den Gipfel erreicht anschließend sicher den
Talabstieg meistern möchte. Wenn es beim Bergsteigen zu Unglücken kommt, dann
häufiger beim Abstieg als beim Aufstieg. Das Wetter schlägt um, die Zeit der
rechtzeitigen Umkehr wurde überschritten oder die Erschöpfung durch den Anstieg
ist stärker als gedacht. Genauso wichtig ist es bei der Karriereplanung den
richtigen Zeitpunkt für eine Entschleunigung zu finden. Sie können diesen Punkt
selbst gestalten oder andere bestimmen das für Sie. Nehmen Sie daher die
Planung selbst in die Hand.
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